Herbsten 2020

Auf das Herbsten arbeiten wir das ganze Jahr hin. Deshalb gehört es für mich zum Höhepunkt des Rebenjahres. Eine Tendenz für das Herbsten zeichnet sich im Sommer bereits ab, da es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Blütezeitpunkt – dem Farbumschlag mit dem Netzauflegen und dann schlussendlich mit dem Herbsten.

Das Herantasten an den richtigen Lesezeitpunkt braucht viel Präsenz im Rebberg. Ich marschiere die Rebenzeilen ab, schaue auf Auffälligkeiten. Oder in diesem Jahr besonders aufs Summen der Bienen, resp. Wespen – die Wespenplage war besonders stark. Durch unsere engmaschigen Netze ist es, je nach Lichteinfall, schwer etwas zu erkennen. Deshalb öffne ich jeweils an einer auffälligen Stelle das Netz und greife hinein.

Wenn ich so quasi jeden Tag eine Kontrolle machen, fällt einem das Weichwerden der Beeren besser auf. Mit jedem sonnigen, warmen Spätsommertag werden die Beeren reifer und reifer und dementsprechend weicher und attraktiver für irgendwelche Tiere. Mit jedem Regen oder sogar schon Morgentau steigt die Gefahr von einem Pilzbefall oder das Faulen der Trauben.

Ab und zu eine Öchslemessung gibt mir Gewissheit, dass auch der Reifeprozess nachweislich vorangeht.

Fürs Herbsten gilt es jeweils einiges zu organisieren, sei es das Material und entsprechendem Transportmittel oder auch die Verpflegung der Helferinnen und Helfer. Der Kontakt zu unserem Kellermeister ist wichtig, um sich mit ihm austauschen zu können.

Für mich entsteht mit dem konkreter werden des Herbstens jeweils einen grossen inneren Druck. Ist es der richtige Zeitpunkt? Hält das Wetter was die Prognosen versprechen? Habe ich ein Nest von faulen Trauben übersehen? Kann es sein, dass wir keine Kirschessigfliegen haben? obwohl der Kanton in seinen Versuchsanlagen Eiablagen – sogar in Blauburgunder Trauben – gefunden hat.

Fragen über Fragen – die Grübelei nimmt wohl erst mit dem Abliefern der Trauben beim Kellermeister ab. Beruhigend für mich, von erfahrenen Winzern weiss ich, dass es ihnen nicht anders geht. Es geht schliesslich auch um den diesjährigen Ertrag – die nächste Chance kommt frühstens in einem Jahr.

Deshalb am Vorabend des Herbsten herrscht immer eine besondere Stimmung. Vorfreude, gespannte Erwartung, ein wenig Unsicherheit, ob der Termin der richtig ist.

Das diesjährige Herbsten hat am Samstag, 19. September stattgefunden. Mit vierzehn Helferinnen und Helfer haben wir nach vier Stunden Lesedauer, 452kg mit 104° Öchsle dem Kellermeister übergeben.

In diesem Jahr hatten wir kaum Sonnenbrand und oder Stiellähme feststellen können. Was das Aussortieren der schlechten Beeren quasi hinfällig machte. Was wir tatsächlich hatten, waren drei vier Rebstöcke die Trauben mit Kirschessigfliegenbefall hatten. Aber was auf die gesamte Fläche sehr wenig ist. Die Befallen Trauben schienen von aussen ganz normal auszusehen, aber beim Abschneiden kam einem einen Schwarm der ekligen, kleinen Tierchen entgegen – widerlich.

Ein paar Tage nach dem Herbsten, legt sich die Angespanntheit langsam aber sicher. Der Muskelkater vom Kistenschleppen und Schere bedienen ist schon wieder verflogen.

Ein Blick aus dem Fenster zeigt auch, das Lesedatum war perfekt gewählt – das Wetter ist gekippt.

Zurück zu meinem letzten Artikel über die Ertragsschätzung. Dort habe ich geschrieben, dass es nach dem Erlesen zirka zwischen 400kg und 600kg sein wird. Mit 452kg sind wir eher bei der pessimistischen Einschätzung.

Bericht Herbsten 2017
Bericht Herbsten 2018
Bericht Herbsten 2019